Ich wurde Gott (28)

 15 Kilometer Luftlinie neben meiner begonnenen Höhlenfestung stand also eine mächtige Burg. Die Umstände meiner blinden Landung hatten verhindert, dass ich beziehungsweise das Analyseprogramm etwas vom Niveau der Besiedlung bemerkt hatte. Und jetzt? Ich würde die Vorstellungen meines gesamten künftigen Lebens ändern müssen, wenn es auf diesem Planeten schon Herrscher gab!

Dass die acht Erwachsenen nach einer Woche zurückkamen, abends in der Siedlung wieder auftauchten, als wären sie wie die anderen nur auf den Feldern gewesen, ahnst du sicher schon. Die Elfjährigen – ich hatte entschieden, dass die acht Kinder elf Jahre alt gewesen waren – kamen nicht wieder.

Für mein Leben ergaben sich mehrere Änderungen.

Zum einen eine erfreuliche. Als ich am Morgen nach dem Ausflug den Übersetzer zur Wiedergabe zuschaltete, erklangen erstmals mehrere vernünftige Sätze nacheinander. Manchmal bewahrte er den fremden Ausdruck, für den er keine Entsprechung gefunden hatte. Insgesamt aber hatte das analysierte Material endlich für die Übertragung der unbekannten Grammatik im fremden Begriffsschatz in meine Sprache ausgereicht.

Zum anderen musste ich meine Position völlig neu überdenken. Eine Burg – das hieß so etwas Ähnliches wie ein Adliger, ein Alleinherrscher, der seine Macht auf Abhängigkeiten und Söldnern gründete. Die bisher beobachteten Bauern waren also keine freien Menschen, sondern zu Frondiensten verpflichtete. Die Kinder … Nein, dafür hatte ich noch keine Erklärung. Aber ich würde mich nicht unterwerfen. Es gab nur eine logische Konsequenz. Ich musste eine kleine Truppe Robotersoldaten replizieren, um mich durchsetzen zu können. Zumindest die Hieb- und Stichwaffen konnten denen nichts anhaben. Noch konnte ich nicht sagen, wie viele ich brauchen würde, aber für die nächsten vier Wochen würde ich 10 Prozent der Energiereserven für ihre Fertigung einsetzen.

Die Idee war mir zwar schnell gekommen, bei der Umsetzung ergaben sich aber unbedachte Probleme. Kampfroboter, und sogar noch äußerlich menschenähnliche, waren meiner Gesellschaft so fremd, dass ich keine Vorlagen im Datenspeicher fand. Ich entschied mich für eine Abwandlung der Arbeitsrobbis für den eigenen Burgbau. Sie mussten nur dahin gehend umprogrammiert werden, dass sie ihre Phots gegen organische Ziele einsetzten.

Ich kann dir nicht sagen, warum ich das Problem fast mit Selbstverständlichkeit auf solche Weise anging. Dort, wo ich hergekommen war, hätte man über mich den Kopf geschüttelt. Kriegerische Handlungen, der Einsatz von Gewalt gegen andere denkende Wesen war einfach ausgeschlossen, tabu, undenkbar. Vielleicht war es aber leicht zu erklären: Auf der Erde ging man davon aus, dass die Seite mit dem anderen Ziel genauso selbstverständlich keine Gewalt einsetzen würde. Jede Gewalt der Macht aber produziert Gewalt des Widerstands, erschwert zumindest gewaltfreien Widerstand – und sofort schaukeln sich die Handlungen beider Seiten gegenseitig hoch – und ich hatte wohl bedingungslos unterstellt, dass der ansässige „Fürst“ sowohl seine vorhandene Macht auf Gewalt stützte als auch ebenso bedingungslos bereit sein würde, sie gegen mich einzusetzen.

~ von Admin - Mai 27, 2010.

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