Ich wurde Gott (25)

 So verging die Zeit. Aber wenn ich von allem so viel gehabt hätte wie eben von Zeit … Du kannst dir vielleicht meine Freude ausmalen, als endlich wirklich zwei Roboter begannen, einen Raum aus dem Felsen zu schneiden – an einer Stelle, die nur über einen einen Meter breiten Pfad zugängig war. Dieser Pfad ließ sich leicht sperren. Nun brauchte ich „nur“ noch eine „Einfahrt“ für den Gleiter und ich konnte mir ein unsichtbares Schloss schaffen. Um nicht wieder die Energiereserve zu gefährden, durfte ich allerdings den Robotern höchstens zwei Stunden Dauerbetrieb zumuten. Und so kam mir auch schon die nächste Idee: Am Felsrand ließ sich eine ganze Energiestation einrichten. Ich entschied mich für ein Reserveniveau von 50 Prozent. Mit dem Rest würde ich replizieren, was das Zeug hielt, und meine Robbis arbeiten lassen. Und irgendwann bald würde ich auch in das Leben meiner Menschen eingreifen. Aber das hatte Zeit.

Zeit … Allmählich verstand ich einen Grund für meine Scheu, diesen Menschen gegenüberzutreten. Es gab mehrere, das ahnst du sicherlich. Einer aber lag in Geschichten, die ich als wirklich junger Mensch gelesen hatte. Es gab immer wieder aufgewärmte Erzählungen über Menschen, die auf unnatürliche Weise zu ewiger Jugend gekommen waren. Auf der alten Erde waren sie mit einem Fluch belegt: Alle Partner, für die sie eine tiefe Empfindung entwickelten, alterten und starben neben ihnen her. Je nachdem, was die Autoren daraus machten, mussten die Helden sich ständig auf die Flucht begeben, damit nicht auffiel, dass sie nicht alterten, oder es endete anders tragisch. Auf der neuen Erde hatte jedem die Möglichkeit eines noch unvorstellbar langen Lebens zur Verfügung gestanden. Wer also wollte, konnte Hunderte Jahre mit demselben Partner zusammenleben. Hier aber war ich der einzige meiner Art. „Meine Menschen“ hatten nur eine Lebenserwartung von etwa 50 Jahren. Wie sollte ich damit umgehen?

Es war an einem der Abende, wo ich in einem Gemisch aus schwindender Empörung, unterdrückter Lust und wachsendem Neid zusah, wie in A die Kinder in den Schlaf gestreichelt wurden. A 14 besaß schon erste Ansätze fraulicher Anmut. Sie war mir aber nicht nur deshalb aufgefallen, sondern auch, weil sie die Berührungen besonders stark zu genießen schien.Warum … Da packte mich ein Gedanke mit unbezwingbarer Gewalt. Das war es doch: Ein Mädchen in diesem Alter würde selbst sichtbar reifen und trotzdem noch viele Jahre jung bleiben. Ich würde beobachten, wie sie älter würde. Ihr aber fiele lange nicht auf, dass ihr Partner während all der Zeit unverändert jung bliebe – mit ihr, bei ihr, ihretwegen.

Wann sollte ich einer solchen Idee die Tat folgen lassen? Plötzlich wurde mir die Unschuld jener Berührungen bewusst. Keines der Kinder war in einer Nische gewesen, alle lagen beieinander, glücklich so etwas zu empfangen, was bei meinesgleichen ein Gute-Nacht-Kuss gewesen wäre.

Eigentlich nahm ich ihnen schon mit dem Zusehen eben diese Unschuld – nur dass sie das ja nicht wussten. Ich schämte mich für meinen Gedanken.

Dabei ahnte ich noch nicht, was der folgende Tag meiner A 14 bringen würde …

~ von Admin - Mai 24, 2010.

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